Leerstandsabgaben – Ist die Büchse der Pandora geöffnet?
Drei Bundeländer haben 2022 Gesetze über die Einhebung von Leerstandsabgaben erlassen.
Hintergrund:
Struktureller Leerstand entzieht dem Markt Wohnungen und führt zu einer Angebotsverknappung, die Auswirkungen auf die Mietpreise haben kann, v.a im Segment der freifinanzierten Neubauwohnungen, mit Einschränkungen auch im Bereich des „angemessenen Mietzinses“. Keine direkten Auswirkungen auf den Mietpreis hat die Verknappung im Segment der Wohnungen, die dem Richtwertmietzins unterliegen (Altbauwohnungen), jedoch sind indirekte Wirkungen denkbar, indem die Angebotsverknappung bei Altbauwohnungen dazu führt, dass im Segment der keinen Mietzinsbeschränkungen unterliegenden Wohnungen, mehr Wohnungen nachgefragt werden und die Mieten in diesem Segment noch deutlicher steigen.
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Struktureller Leerstand entsteht vermehrt in Phasen steigender Immobilienpreise. Diese machen es für institutionelle Bestandhalter finanziell attraktiv, (relativ) günstig eingekaufte Wohnungsbestände nicht auf den Mietmarkt zu bringen, sondern den Gewinn durch die Strategie Ankauf, Halten – Wertsteigerung alleine durch Zeitverlauf – und sodann Verkauf zu erzielen.
Weitere negative Auswirkungen eines hohen Leerstandes sind in Bezug auf die Stadtentwicklung und ESG Themen gegeben. Insbesondere vermehrte Bodenversiegelung, vermehrtes Verkehrsaufkommen und frustrierte Kosten für nicht ausgenützte Infrastruktureinrichtungen sind zu nennen.
Ein geeignetes Instrument wird in der Besteuerung von Leerstand durch die Einhebung von Leerstandsabgaben gesehen. Umgekehrt wird die Ansicht vertreten, die seit Langem aufgeschobene Novellierung des österreichischen Mietrechtes würde das Problem auch unter Verzicht auf Leerstandsabgaben von der Wurzel her lösen.
Wo finden wir vermehrt Leerstand
In großen Ballungszentren, in Österreich, v.a. in Wien und Salzburg Stadt, und in touristisch attraktiven Regionen in den Bundesländern, wo als angrenzende Materie auch die Problematik der dem Markt Wohnungen entziehenden Zweitwohnsitze auftritt. Leerstandsabgaben und Abgaben für Zweitwohnsitze gehen daher (zumeist) Hand in Hand.
Leerstandsabgaben in den Bundesländern – Gesetzgebung 2022
Im Jahr 2022 wurden in drei Bundesländern, Salzburg, Steiermark und Tirol, Leerstandsabgaben durch Erlassung entsprechender Landesgesetze eingeführt. Dabei wurden jeweils auch Zweitwohnsitzabgaben vorgesehen.
In der Steiermark trat die gesetzliche Neuregelung bereits am 1.10.2022 in Kraft, in Salzburg und Tirol wird das In-Krafttreten mit 1.Jänner 2023 erfolgen.
Leerstandsabgabe Steiermark
Gesetzliche Grundlage ist das Steiermärkische Zweitwohnsitz- und Wohnungsleerstands-Abgabegesetz (LGBl 46/2022), kurz „StZWAG“.
Das Gesetz ermächtigt die Gemeinden, eine Zweitwohnsitzabgabe, eine Wohnungsleerstandsabgabe, oder beide Abgaben einzuheben. Die bisherigen Regelungen zur Einhebung einer Ferienwohnungsabgabe entfallen, da diese durch die neue Zweitwohnsitzabgabe ersetzt wird.
Gegenstand der der Leerstandsabgabe stellen Wohnungen dar, bei welchen nach den Daten des Zentralen Melderegisters mehr als 26 Kalenderwochen im Jahr weder eine Meldung als Hauptwohnsitz noch als sonstiger Wohnsitz vorliegt. Gegenstand der Zweitwohnsitzabgabe stellen Zweitwohnsitze dar, das sind Wohnsitze, die nicht als Hauptwohnsitz verwendet werden. Es wird bloß auf das formale Kriterium der Meldung nach dem MeldeG abgestellt.
Abgabenpflichtiger ist der Eigentümer der Liegenschaft; im Falle, dass an der Liegenschaft ein Baurecht begründet ist, der Bauberechtigte. Bei der Zweitwohnsitzabgabe geht die Abgabenpflicht im Falle einer unbefristeten oder mit 6 Monate übersteigender Befristungsdauer ausgestatteten Überlassung (Vermietung, Verpachtung) auf den Mieter/Nutzer über.
In die Höhe der Bemessung der Leerstandsabgabe gehen die Anzahl der Leerstandswochen pro Jahr, sowie die Nutzfläche ein. In die Höhe der Bemessung der Zweitwohnsitzabgabe geht bloß die Nutzfläche ein.
Der Abgabensatz ist für beide Abgaben durch Verordnung des Gemeinderates oder der Gemeindevertretung festzulegen. Für beide Abgaben gilt, dass die Höhe der Abgabe EUR 10 pro m² Nutzfläche nicht überschreiten darf. Der Abgabenanspruch entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres.
Es bestehen zahlreiche Ausnahmen von der Abgabenpflicht, die je nachdem, ob es sich um eine Zweitwohnsitzabgabe oder eine Leerstandsabgabe handelt, unterschiedlich ausgestaltet sind.
Die Ausnahmen bei der Leerstandsabgabe sind: Wohnungen einer gemeinnützigen Bauvereinigung oder einer Gebietskörperschaft; Eigenheime mit nicht mehr als 3 Wohnungen; betriebliche Wohnungen, Wohnungen im Zuge der Instandsetzung, und/oder die infolge behördlicher Anordnung nicht vermietbar sind; Wohnungen in denkmalgeschützten Objekten, Vorsorgewohnungen für Kinder, sowie Wohnungen, die Gesundheits- oder Altersbedingt nicht mehr als Wohnsitz verwendet werden.
Die Ausnahmen bei der Zweitwohnsitzabgabe sind: Zweitwohnsitze, die beruflichen, land- und forstwirtschaftlichen, oder ausbildungsorientierten Zwecken dienen, sowie Wohnungen, die die gesundheits- oder altersbedingt nicht mehr als Hauptwohnsitz verwendet werden, oder die der Pflege dienen.
Die Gemeinde Ramsau am Dachstein hat bereits eine Leerstandsabgabe und eine Zweitwohnsitzabgabe auf Basis des neuen Gesetzes beschlossen.
Leerstandsabgabe Salzburg
Die Leerstandsabgabe nach dem Zweitwohnsitz- und Wohnungsleerstandsabgabengesetz (ZWAG) des Landes Salzburg (LGBL Nr.71/2022), („Kommunalabgabe Wohnungsleerstand“), ist weitgehend ähnlich dem steiermärkischen Modell ausgestaltet. Insbesondere stellt sie ebenfalls auf „Leerstandswochen“ ab, und lässt die Abgabenpflicht erst bei einem jährlichen Leerstand von mehr als 26 Kalenderwochen entstehen. Weiters ist beiden Landesgesetzen gemein, dass sie das freie Beschlussrecht der Gemeinden begründen, Leerstandsabgaben und/oder Zweitwohnsitzabgaben festzusetzen oder nicht. Dies im Unterschied zum Tiroler Modell, wo das Gesetz eine Verpflichtung der Gemeinden konstituiert.
Der Höhe nach unterscheidet das Salzburger Gesetz bei der Leerstandsabgabe Neubauwohnungen und sonstige Wohnungen, wobei für Neubauwohnungen der zulässige Höchstsatz jeweils doppelt so hoch ist. Größenordnungsmäßig entsprechen die zulässigen Höchstsätze bei sonstigen Wohnungen EUR 10 pro m² Nutzfläche und bei Neubauwohnungen EUR 20 pro m² Nutzfläche, jeweils pro Jahr. Ein absoluter Höchstsatz wird für Neubauwohnungen (>220 m²) mit EUR 5.000 pro Jahr und für sonstige Wohnungen mit EUR 2.500 pro Jahr festgelegt. Eine Valorisierung der Höchstsätze ist vorgesehen.
Die Höchstsätze für die Zweitwohnsitzabgabe („Kommunalabgabe Zweitwohnsitz“) entsprechen den Höchstsätzen für sonstige Wohnungen.
Die Ausnahmetatbestände des Steiermärkischen und des Salzburger Gesetzes sind unterschiedlich geregelt, wobei die Ausgangssachverhalte ähnlich sind. In beiden Gesetzen sind die Gemeinden ermächtigt, weitere, sachlich gerechtfertigte Ausnahmen vorzusehen.
Leerstandsabgabe Tirol:
Der Tiroler Gesetzgeber hat beim Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabgabengesetz („TFLAG“), LGBl 86/2022, einen unterschiedlichen zeitlichen Anknüpfungsmechanismus gewählt als die Steiermark und Salzburg. So sind für die Leerstandsabgabe nur durchgehende Leerstandszeiten von zumindest 6 Monaten maßgeblich. Der Meldung nach dem MeldeG kommt nur Indizwirkung zu.
Die Ausnahmetatbestände sind im Tiroler Gesetz taxativ aufgezählt. Da es auch kein freies Beschlussrecht der Gemeinden gibt, ist der Spielraum, den der Landesgesetzgeber den Gemeinden überlässt, weitaus geringer als in Salzburg und der Steiermark.
Im Gegenzug sind keine Höchstsätze für die Festsetzung der Abgaben der Höhe nach festgesetzt, sondern Bandbreiten, wobei diese für die sogenannten “Vorbehaltsgemeinden“ jeweils doppelt so hoch sind als für sonstige Gemeinden. Die Höhe der in Tirol monatlich zu entrichtenden Leerstandsabgabe beträgt in Vorbehaltsgemeinden für Wohnungen >250 m² Nutzfläche zumindest EUR 180 und höchstens EUR 430 pro Monat. Damit ist die zulässige Jahresbelastung deutlich höher als in Salzburg und der Steiermark.
Der Begriff Vorbehaltsgemeinden entstammt dem Tiroler Grundverkehrsrecht. Eine Liste touristisch besonders nachgefragter Tiroler Gemeinden wurde mit Verordnung der Landesregierung vom Juli 2022 erlassen und mit dieser knapp 50% der Tiroler Gemeinden zu Vorbehaltsgemeinden erklärt.
Leerstandsabgabe Wien?
Laut Schätzungen stehen in Wien derzeit mindestens 30.000 Wohnungen länger als sechs Monate leer, 10.000 Wohnungen sogar länger als zweieinhalb Jahre. Vielfach werden auch weitaus höhere Zahlen gerufen, da es jedoch keine Meldepflicht für Leerstände gibt, liegt der tatsächliche Leerstand im Dunkeln.
In Wien stand bereits in den 1980er Jahren eine Leerstandsabgabe in Geltung, das Gesetz über die Einhebung einer Abgabe auf unvermietete Wohnungen, LGBL 1982/23. Die Regelung wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1985 als verfassungswidrig aufgehoben, da kompetenzrechtlich der mit der Leerstandsabgabe verfolgte Lenkungseffekt zur Verhinderung spekulativen Leerstandes alleine dem Bundesgesetzgeber obliege.
Damit vertritt das Land Wien die Ansicht, eine Leerstandsabgabe in einer (so empfindlichen) Höhe, die auch einen Lenkungseffekt, mehr Wohnungen auf den Markt zu bringen, aufweist, dürfe es auf den Weg bringen. Sehr wohl stünde auch Wien das Recht zu, eine Leerstandsabgabe im Kraft zu setzen, die ihrer Höhe nach nicht mehr als jene Infrastrukturkosten deckt, die der Stadt im Zusammenhang mit dem Leerstand entstehen. Überschreiten würde Wien, wie jedes andere Bundesland, seine verfassungsrechtliche Kompetenz, wenn die Abgabe eine solche „Intensität“ entwickelt, dass sie die Marktteilnehmer wirtschaftlich zu einem bestimmten Verhalten zwingt („Lenkungseffekt“).
Ob Wien dem Beispiel der Bundesländer folgt, auch unter Verzicht auf einen Lenkungseffekt eine Leerstandsabgabe einzuführen, darf gespannt erwartet werden. Die Büchse der Pandora wurde jedenfalls in drei Bundesländern geöffnet.
Daniela Witt-Dörring, Partner bei Weber & Co.